Thursday, August 13, 2020

Drohendes Finanzdesaster am BER?: Flughafenchef versucht sich im Abgeordnetenhaus zu rechtfertigen - rbb24

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Bauarbeiter laufen über die Baustelle des neuen Vorfeld E2 am Flughafen Berlin-Brandenburg BER (Bild: imago images/F. Boillot)
Bild: imago images/F. Boillot

Drohendes Finanzdesaster am BER? - Flughafenchef versucht sich im Abgeordnetenhaus zu rechtfertigen

Gut drei Stunden dauerte der öffentliche Teil des Ausschuss zu den BER-Finanzen. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup verteidigte die bisherige Finanzplanung des Unternehmens. Als Beleg präsentierte er eine Berechnung, die angeblich der rbb veröffentlicht hätte – doch das ist falsch. Von René Althammer

Für Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup ist der 13.August 2020 ein wichtiger Tag: Im Unterausschuss Beteiligungsmanagement und -controlling des Berliner Abgeordnetenhauses muss er den Parlamentariern ab 15 Uhr Rede und Antwort stehen. Es geht um die Finanzplanung der Flughafengesellschaft und eine einfache Frage: Hat die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg GmbH (FBB) Öffentlichkeit und die Parlamentarier über die finanzielle Zukunft der FBB nach Inbetriebnahme des neuen BER bislang richtig informiert.

Auch wenn sich seit der Corona-Krise und angesichts des Zusammenbruchs der Luftverkehrswirtschaft völlig neue Fragen stellen, stand im Abgeordnetenhaus die bisherige Finanzplanung auf der Tagesordnung. Unabhängig davon, ob zukünftig fünf, fünfzehn oder 25 Millionen Passagiere am neuen BER ankommen oder abfliegen, die FBB behauptet: Mit jedem Passagier würde das Unternehmen ab Inbetriebnahme des neuen BER im Durchschnitt 18 Euro verdienen. Zum einen durch die sogenannten Entgelte oder Aviation-Erlöse, die die Airlines für die Flughafennutzung zahlen müssen. Zum anderen, weil das Unternehmen kräftig daran verdienen will, dass die Passagiere vor Abflug oder nach Ankunft am neuen BER noch ausgiebig shoppen oder schlemmen werden. Allein die Einnahmen aus dem reinen Flugbetrieb sollen jedenfalls um 40 bis 50 Prozent steigen und dem Unternehmen – unter normalen Umständen – stabile und tragfähige Einnahmen garantieren.

Flughafenchef wehrt sich gegen rbb-Berechnungen

Der rbb hatte bereits im Frühsommer Zweifel an dem Zahlenwerk der FBB und kam nach eigenen Berechnungen und Recherchen für den reinen Flugbetrieb nach Inbetriebnahme des neuen BER auf Erlössteigerungen von maximal 25 Prozent im Vergleich zu Schönefeld und Tegel. Es waren Fragen offen, auf die der Flughafenchef trotz mehrfacher Nachfragen gegenüber dem rbb bis heute nicht im Detail geantwortet hat. Doch in einem taz-Interview ging er jetzt ins Detail: Die Ergebnisse des rbb seien falsch, eine "Milchmädchenrechnung". Begründung: Es sei nicht berücksichtigt worden, dass ein Flugzeug nicht nur landet, sondern auch wieder startet. Und weil dem rbb das wohl nicht klar gewesen sei, seien die Kosten für Nutzung der sogenannten "Zentralen Infrastruktur" durch die Airlines nicht angemessen berücksichtigt worden.

Dies ist jedoch falsch, denn die vom rbb veröffentlichten Ergebnisse haben nichts mit dem zu tun, was der Flughafenchef heute veröffentlicht hat. Der rbb ist sehr wohl davon ausgegangen, dass Flugzeuge starten und landen und die "Zentrale Infrastruktur" wurde entsprechend der dafür gültigen und veröffentlichten "Preisliste" und nach Hinweisen der FBB im Mai berücksichtigt. Außerdem hat die Redaktion rbb24 Recherche sich nicht nur auf die eigenen Berechnungen verlassen, sondern sie auch den Berechnungen des Bundesverbands deutscher Fluggesellschaften gegenübergestellt, der anhand eines Beispielfliegers Preisvergleiche zwischen den Airports erstellt. Mit diesen Berechnungen hat der rbb sich auch an die FBB gewandt, konkrete Antworten blieben aus.

Im Mai hatte der Flughafenchef die Kritik an seiner Finanzplanung als dilettantisch abgekanzelt und selbst von 70 Prozent höheren Erlösen aus dem reinen Flugverkehr gesprochen. Diese Zahlen wurden bis heute nicht belegt und auch die Aussage offiziell nicht zurückgezogen. Der Auftritt heute belegt, dass der Druck groß ist. Denn wenn die FBB-Finanzplanung Fehler aufweisen sollte, wird es eng für die Beteiligten, denn die Gesellschaft braucht absehbar dringend neues Geld – auch von den Banken und da müssen die Zahlen stimmen.

Die Sitzung beginnt

15:12 Uhr: Die Ausschusssitzung beginnt, der Raum 376 ist langgezogen und die AHA-Regeln werden eingehalten. Nicht nur der Flughafenchef und der Vorsitzende des Aufsichtsrats der FBB, Rainer Bretschneider, sind geladen. Per Videokonferenz sind auch der Wirtschaftsprüfer Karl-Heinz Wolf und der Ratingexperte Harald Krehl zugeschaltet. Im April hatten die beiden gemeinsam mit dem Projektentwickler Hans Georg Gemünden eine Studie veröffentlicht, die die FBB und die Parlamentarier in Berlin, Brandenburg und im Bund bis heute umtreibt. Sie hatten sich auf die öffentlich zugänglichen Finanzdaten und Passagierprognosen gestützt und kamen zu dem Ergebnis, dass die Kreditlasten des bislang knapp 6 Milliarden Euro teuren Projekts durch die Einnahmen der Gesellschaft nicht zu bedienen seien und die Gesellschafter noch weitere Steuermittel in Milliardenhöhe zur Verfügung stellen müssten.

Um 15:19 Uhr geht das Wort an den Flughafenchef, der den aktuellen Stand vorträgt. Stolz teilt er mit, dass das Terminal "scharf geschaltet" sei, 970 Hektar Betriebsgelände wurden in den vergangenen Tagen durchsucht, hunderttausende Quadratmeter Gebäudefläche. Die Sicherheit ist hergestellt, der Inbetriebnahme des neuen BER scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Der Bauherr ist mehr als nur zufrieden, zu Recht. Was die Finanzen anbetrifft, so bleibt der Flughafenchef bei seiner Argumentation: Die "luftverkehrlichen Entgelte" steigen um 40 bis 50 Prozent, die Finanzpolster sind aufgebraucht. Die Abgeordneten stellen ihre Fragen, es geht um Corona-Tests, Schallschutz und um die Frage, wieviel die FBB nach Inbetriebnahme wirklich verdient. Immer wieder verweisen Abgeordnete auf die rbb-Recherchen.

16.33 Uhr – Falsche Darstellung der rbb-Berechnungen durch den Flughafenchef

Gegen 16.33 Uhr ist es dann soweit und der Flughafenchef erklärt den versammelten Parlamentariern, warum seine Finanzplanung stimmt. Er präsentiert im Livestream eine Folie, die belegen soll, warum der rbb falsch gerechnet habe. "Entgeltberechnung mit Tabelle und Taschenrechner: Beispiel mit Durchschnitt verwechselt" ist der Titel – fett und unübersehbar. Die Kernaussage: der rbb habe "die PRM-Entgelte", die Kosten für Passagiere mit eingeschränkter Mobilität, die "ZI-Entgelte", die Zentrale Infrastruktur und einen Start oder eine Landung vergessen. Doch wie kommt die FBB darauf? Nachfrage beim Pressesprecher noch während die Sitzung läuft. Die Erklärung: Mitte Mai hätten der rbb doch der FBB eine Mail geschrieben und den Stand der Recherchen mitgeteilt und da seien diese Positionen nicht enthalten gewesen. Deshalb sei der rbb nach Auffassung der FBB zu dem Ergebnis gekommen, das Unternehmen würde nach Inbetriebnahme des neuen BER statt gut 3.275 Euro bei einem durchschnittlich ausgelasteten A-320 nur knapp 2.400 Euro verdienen. Doch diese Darstellung des Flughafenchef vor den versammelten Abgeordneten ist schlicht und ergreifend falsch. Hätte er vorher nachgefragt, wäre ihm das aufgefallen.

Die Wahrheit ist: der rbb hat aufgrund der gültigen und veröffentlichten Entgeltordnungen für die Flughäfen Tegel, Schönefeld und den neuen BER berechnet, wieviel die Benutzung der derzeitigen Bestandsflughäfen Tegel und Schönefeld im Verhältnis zum neuen BER die Airlines kostet. Dabei kam der rbb zu dem Ergebnis, dass die FBB die derzeitigen Kosten an den Bestandsflughäfen niedriger angesetzt hat, als in den gültigen Entgeltordnungen geregelt. Dadurch ergibt sich eine prozentual höhere Steigerung im Verhältnis zu den neuen Entgelten. Berechnet man es nach den realen Zahlen, so kommt man nicht auf eine höhere Entgelterlössteigerung als 25 Prozent unter Einbeziehung des Flugzeugmixes. Die FBB hat auf Anfragen in diesem Zusammenhang nicht konkret geantwortet.

Ein Kassensturz durch unabhängige Prüfer wäre die beste Lösung

Die rbb-Berechnungen sind also falsch dargestellt worden. Doch die Angeordneten wollen es dabei nicht bewenden lassen. Während der Carsten Schatz, der Fraktionsvorsitzende der Linken, die ganze Diskussion für "substanzlos" hält, will es Harald Moritz von den mitregierenden Grünen genauer wissen, ebenso der Ausschussvorsitzende Jörg Stroeter (SPD) der endlich "Butter bei die Fische" und genauere, detaillierte Einnahmeberechnungen forderte.

Bislang hat die Flughafengesellschaft ihre eigenen Zahlen nicht belegt und hat die Berechnungen des rbb nicht widerlegt. Völlig unabhängig von der Corona-Krise steht die bisherige Finanzplanung der FBB weiter auf dem Prüfstand. Wer weitere Milliarden von den öffentlichen Gesellschaftern, also den Steuerzahlern, und den Banken haben will, der muss beweisen, dass die Prognosen richtig sind. Ein Kassensturz durch unabhängige Prüfer wäre die beste Lösung.

Beitrag von René Althammer




August 14, 2020 at 02:48AM
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